von Philipp, der sein Auslandstrimester an der University of Queensland in Brisbane verbringt
Es ist Winter: In allen Häusern laufen die Heizungen, die Menschen auf den Straßen gehen zielstrebig ihren Geschäften nach um schnell wieder ins Warme zu kommen, und muss man doch mal länger Zeit draußen verbringen, so werden Pelzmantel, Handschuhe, Schal und dicke Mütze ausgepackt. Eigentlich gibt es nur zwei große Unterschiede zu Deutschland. Erstens: Es ist die Rede von der Südhalbkugel, Winter ist hier Mitte Juli. Und zweitens: Es sind zwischen 12° und 20° Celsius. Tiefster Winter – in Brisbane.
Mittlerweile ist es September, die Tage sind deutlich wärmer geworden und täglich lernt man die Stadt, das Klima und vor allem auch die Bewohner mehr kennen und lieben.
Sitzt man am Abend alleine in einer Bar am Fluss, genießt bei einem Bier die Skyline und liest gemütlich ein Buch, so wird man angesprochen, warum man den Abend denn alleine verbrächte und es entwickeln sich kurzweilige, spannende Gespräche mit Einheimischen.
Die Coffee-Shops im Central Business District haben ihre Stammkunden, weshalb kaum ein Kunde dem Barista seine Bestellung sagen muss. Häufig werden noch ein paar Worte gewechselt, bevor der Nächste bedient wird. Unbekannte werden indes sofort erkannt und freundlich begrüße: "Oh, Du bist neu hier! Wie heißt Du und was darf es für Dich sein?"
"Bist Du schon mal gesurft?" – "Nein? Kein Problem, ich habe zwei Surfboards und ein Auto, ich zeige es dir!"
Völlig alltägliche Situationen in Brisbane. Die Bewohner gehen mit offen Augen durch die Welt und achten auf ihre Mitmenschen. Das erscheint am Anfang aufdringlich, schnell lernt man aber, die einem entgegengebrachte Aufmerksamkeit wertzuschätzen und freut sich darüber.
Der Campus der University of Queensland umfasst ein – nicht nur im Vergleich zur Bucerius Law School – riesiges Gelände, für das es nicht zu Unrecht eine eigene Navigationsapp gibt. Der Great Court, umringt von alten, ehrwürdigen Sandsteingebäuden, lädt zum Verweilen und Träumen ein. Hat man davon genug, bietet sich eine schier endlose Reihe von Freizeitgestaltungen an. Segeln mit den universitätseigenen Katamaranen und anschließendem BBQ auf einer kleinen Insel, den Tag am Brisbane River beim Wakeboarden verbringen, Fußball spielen oder einfach an die Gold oder Sunshine Coast fahren um dort die Seele baumeln zu lassen.
Und dann wäre da ja noch Australien – so groß wie ganz Europa. Brisbane liegt ideal in der Mitte der Ostküste, sodass sowohl die Reise nach Darwin als auch nach Melbourne in nur vier Flugstunden möglich ist. Von unglaublichen Naturparks mit natürlichen Infinity-Pools, Krokodilen und traumhaften Landschaften im Norden, hin zu Schnee im Winter, Pinguinen am Strand und der Great Ocean Road im Süden bietet Australien Möglichkeiten für Jedermann.
Trotz dieser unzähligen Möglichkeiten und tollen Erlebnisse, die ich gemacht habe, darf zumindest eines nicht unerwähnt bleiben. Viele Ureinwohner stehen von Geburt an vor einer hoffnungslosen Zukunft. Kaum Bildung und Unterstützung von Zuhause, Alkoholismus und nicht zuletzt Alltagsrassismus prägen das Leben der Aborigines. Probleme, die die australische Politik kaum in den Griff bekommt und die Besucher viel zu selten mitbekommen – aber wenn, dann eindrucksvoll.
Sieht man davon ab, ist es schwer, hier nicht jede Minute zu genießen. Noch schwerer aber ist es, alles aufzunehmen, was man sieht, erlebt und fühlt!