La vida porteña

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von Laura, die ihr Auslandstrimester an der Universidad de Buenos Aires verbringt

Die letzten 132 Tage habe ich als porteña in Buenos Aires gelebt. Ich habe unendlich leckeres Fleisch gegessen und Evita bewundert, ein paar wunderschöne Ecken dieses riesigen Landes kennengelernt und versucht zu begreifen, was Buenos Aires und Argentinien ausmacht:

Europa in Lateinamerika – In Buenos Aires hat eigentlich jeder Bewohner europäische Vorfahren, nicht selten sogar noch einen europäischen Pass oder Verwandte im alten Kontinent. Das führt dazu, dass man hier häufig eher das Gefühl hat durch eine spanischsprechende Version von Rom zu laufen. Die Architektur ist Paris und Madrid nachempfunden, das Teatro Colon kann es mit Konzerthäusern wie der Mailänder Skala aufnehmen und so manche Gewohnheit des öffentlichen Lebens findet sich genauso im Auslandssemester in Rom wieder. Lange hatte man in Buenos Aires das Gefühl vielmehr zu Europa zu gehören als ein Teil des neuen Amerikas zu sein - das merkt man bis heute und macht das Ankommen und sich einleben sehr leicht.
9 de Julio, die aangeblich breiteste Straße der Welt mit Evita auf dem Ministerio de Agricultura
Großartigkeit – In ganz Argentinien, besonders im unumstrittenen Zentrum für alles, Buenos Aires, findet man unendlich viele Dinge, die das Größte / das Erste / das Beste oder ein anderes Extrem sind - mindestens des Kontinents, wenn nicht sogar der ganzen Welt. Ob das immer so stimmt bleibt fraglich, aber mit ein bisschen Großartigkeit macht es eben einfach mehr Spaß. Ebenfalls ein Extrem des Kontinents: die UBA, meine Gastuniversität. Mit allein mehr als 20 000 Studenten an der juristischen Fakultät ist sie nicht nur eine der größten Universitäten Lateinamerikas, sondern gilt auch als eine der besten.
Andinische Kultur in Humahuaca, mit Lamas und Alpacas
Freizeitstress – Buenos Aires ist voll von Kultur, Kunst, Festivals, Märkten, Openairs, Parties und vielem mehr. Argentinische Nächte können lang sein und fangen im Normalfall nicht vor 12 an, tagsüber kann man unendlich lang durch Museen und Events bummeln – oder sich einfach durch die vielen verschiedenen Viertel der Stadt treiben lassen und die allgegenwärtige Streetart bewundern.
Das bunte, ehemalige Hafenviertel La Boca in Buenos Aires
Vielseitigkeit – Argentinien ist ein riesiges Land, das große Teile des lateinamerikanischen Kontinents einnimmt. Deshalb sind auch Kulturen und Landschaften hier so unterschiedlich: Ich war einerseits in der südlichsten Stadt der Welt, Ushuaia, an einem der größten Gletscher der Welt, dem Perito Moreno und im rauen Patagonien. Auf der anderen Seite habe ich die Wasserfälle von Iguazu im Dschungel und die Landschaften der Anden-Hochebene nahe der bolivianischen Grenze besucht. Rund …. m, etwa die Distanz zwischen … und …, erstrecken sich zwischen dem Norden und Süden Argentiniens und eine dementsprechende Vielzahl an Kulturen und Landschaften liegt dazwischen.
Das Fitzroymassiv in Patagonien
Ein kleines bisschen Chaos – Die UBA und ihre Facultad de Derecho ist hochangesehen in Argentinen und auf dem ganzen Kontinent. Trotzdem habe ich mich oft über Abläufe und Gewohnheiten hinter diesen hohen tempelhaften Säulen gewundert: Hochrangige Dozenten unterrichten häufig in Hörsälen, die über eine Tafel und Holzbänke verfügen und sonst nicht viel, für viele Dinge muss man sich durch ein manchmal undurchsichtiges System an Zuständigkeiten und Stationen kämpfen und dass die Vorlesung grundsätzlich eine halbe Stunde später beginnt, ist auch anfangs etwas ungewöhnlich.
Die Facultad de Derecho der UBA, allein hier sind 20 000 Studenten immatrikuliert
Nichtsdestotrotz hat das Studium hier Spaß gemacht: Das Kursangebot ist schier überwältigend, die Atmosphäre mit Kommilitonen supernett und die Universität ob ihrer Dimensionen und Diversität von Studenten & Dozenten sehr spannend. So habe ich das leichte Chaos was vorherrscht wirklich genossen und hatte mal eine ganz andere Unierfahrung als die Butze.
Pinguine bei Ushuaia, Feuerland, dem südlichsten Zipfel der Erde
Ungleichheit – Neben den so schönen und berauschenden Eindrücken Argentiniens fällt auch bald die Ungleichheit und Armut in der argentinischen Gesellschaft auf: Schon immer war die Schere zwischen den Reichen und den Armen groß, der Staatsbankrott und die entsprechende Staatskrise 2001 haben ihr übriges getan. Bis heute lebt jedes zweite Kind unter 14 Jahren hier unter der Armutsgrenze, offiziell liegt der Anteil der armen Bevölkerung bei rund 40 Prozent. Die Inflation steigt, Preise ändern sich wöchentlich und wie große Teilde argentinischen Mittel- und Unterschicht Lebensmittel und andere grundsätzliche Rohstoffe leisten können, bleibt fraglich.
Streetart in den Straßen von Palermo
Ein Wochenende habe ein Wochenende mit einer NGO in einem Armenviertel von La Plata bei Buenos Aires gearbeitet – die Bilder der Lebensumstände waren erschreckend und haben sich tief eingebrannt. Das ist eine Form der Armut, die man aus Deutschland und auch anderen Teile Europas nicht kennt.
Straßenszenen in Salta
Asado – Argentinien & Fleisch, das gehört einfach zusammen. Fleisch wird beim asado über der parilla lange gegrillt, bis es zart und wirklich sehr lecker ist! Die Kühe leben in der unendlichen Pampa in der Mitte des Landes und werden bis heute auf riesigen estancias gehalten. Und zwar ja, häufig wirklich so wie man sich das mit den gauchos vorstellt! Asado selbst ist dann selbst ein gesellschaftliches Ereignis und kann gut einen ganzen Nachmittag einnehmen – nachdem alle glücklich und satt in der Sonne liegen. Und wenn die Zeit zum Asado nicht reicht, dann eben ein choripan auf die Hand.
Fleisch für das Asado geht über alles in Argentinien
Helden – Die argentinische Geschichte ist geprägt von Helden und strahlenden Figuren: Eva „Evita“ Peron, Papst Franziskus, Che Guevara, Maradona, … Es ist unglaublich spannend diese Charaktere und ihre Bedeutung hier kennenzulernen. So ist Evita bis heute allgegenwärtig und die Descamisados eine politische Bewegung und Papst Franziskus so etwas wie ein Superstar Argentiniens.
Gerd vor dem Perito Moreno - Gletscher bei El Calafate
All das sind nur ein paar Streiflichter dieses so reichen Landes. 132 Tage sind bei weitem nicht genug um die entspannte Mentalität der Argentinier und die Geheimnisse dieses Landes zu ergründen. Buenos Aires, Argentinien – ich freue mich auf ein Wiedersehen!