Der Unterschied zwischen „now“ und „now now“

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von Franzi, die ihr Auslandstrimester an der University of Cape Town verbringt
Bo-Kaap
Links und rechts der Autobahn sieht man kleine, zerbeulte Wellblechhütten, am Straßenrand laufen Schweine, überall liegt Müll herum, während man auf hohe, moderne Wolkenkratzer aus Stahl und Glas zufährt – welcome to the „Mother City“, willkommen in Kapstadt. Schon auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt sieht man die krassen Kontraste, die die Stadt und das ganze Land durchziehen.
Hafen bei der Waterfront
Meine Heimat für die nächsten viereinhalb Monate ist ein kleines, flaches Haus in dem bunten Viertel Observatory, das zwischen Innenstadt und Universität liegt. Hier wohnen viele Studenten und es gibt unzählige kleine Bars, Restaurants und Cafés. Auswärts essen ist hier sehr viel günstiger als in Deutschland und so trifft man sich oft abends in einem der kleinen Läden – da viele nur ein paar Straßenzüge auseinander wohnen, ist man überall recht schnell.
University of Cape Town
Ansonsten ist die Fortbewegung in Kapstadt nicht ganz so unproblematisch wie in deutschen Großstädten. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es fast nicht und die Busse, die es gibt, sollte man lieber nicht nehmen. Die kleinen weißen Minitaxis, die den ganzen Tag laut hupend in einem Affentempo die Main Road rauf- und runterfahren, sind tagsüber eine gute Alternative, um in die Innenstadt zu kommen. Für umgerechnet weniger als 50 Cent kommt man bis zur Town Hall – wobei man nie abschätzen kann, wie lange das Minitaxi brauchen wird. Der Beifahrer schreit während der ganzen Fahrt aus dem Fenster, um noch mehr Leute in das Taxi zu bekommen und oftmals wird abrupt gebremst, um noch jemanden einzusammeln. Ein Minitaxi ist auch niemals wirklich voll – was nicht passt, wird passend gemacht!
Blick vom Lion's Head
Da man nachts nicht allein durch die Straßen Kapstadts laufen sollte, fährt man fast überall mit dem Uber hin. Die erhöhte Kriminalität war am Anfang schon beängstigend – ich musste schlucken, als meine Vermieterin uns den Emergency Button im Haus gezeigt hat – sorgt aber auch dafür, dass alle aufeinander aufpassen. Selbst wenn man zwei Minuten entfernt wohnt, bringen Freunde einen in der Dunkelheit immer nach Hause. Insgesamt gewöhnt man sich auch nach einigen Wochen an die veränderte Sicherheitssituation und bekommt ein Gefühl dafür, was man tun kann und was nicht.
Tafelberg
Die University of Cape Town ist eine wunderschöne, große Campus-Universität, die am Fuße des Tafelbergs liegt. Der zentrale Treffpunkt sind die Treppen vor der Jameson Hall, dem imposanten Hauptgebäude mit großen, weißen Säulen. An einem „Jammie Thursday“ kann es passieren, dass auf einmal verschiedene DJs spielen und einige Studenten spontan anfangen zu tanzen.
UCT
Insgesamt sind Universitäten in Südafrika viel öfter Orte für politische Diskussionen und Proteste als anderswo. Diese Woche wurde die Uni bereits für drei Tage aufgrund von Demonstrationen geschlossen. Massen von Studenten blockieren die Zugänge, übernehmen Vorlesungen und halten Reden auf den großen Plätzen. Sie kämpfen für die Wiederaufnahme der Protestführer des letzten Jahres, geringere Kosten, Wiedereinstellungen von Personal und viele andere Dinge. Es ist unsicher, wann die Proteste vorüber sind und der normale Unibetrieb wiederaufgenommen wird.
Boulders Beach
Im Allgemeinen sind die Leute hier offener, unorganisierter und entspannter als in Deutschland. Das beste Beispiel ist das Wort „now“. Während Deutsche es wohl mit „jetzt“ übersetzen würden, passt bei Südafrikanern besser „irgendwann“. Erst wenn ein Südafrikaner „now now“ sagt, kann man davon ausgehen, dass es wirklich bald passiert.
Südafrikaner lieben Grillen, hier sagt man dazu nicht Barbeque sondern Braai. Statt zu fragen, ob man mal etwas zusammen trinken geht, wird man zum gemeinsamen Braai eingeladen. Jeden Sonntag findet eine riesige Grillparty in einer der größten Townships statt. In einer Metzgerei sucht man sich sein Fleisch aus, dann tanzt und trinkt man zu guter Musik bis es Stunden später fertig ist. Besteck oder Teller gibt es nicht, dafür jede Menge Pap (ein relativ geschmackloser Maisbrei) und scharfes Chakalaka.
Tafelberg
Von fast jedem Punkt in Kapstadt kann man den imposanten Tafelberg sehen, verschiedene Routen führen auf den 1087 Meter hohen Berg hinauf. Die wohl schönste ist „Skeleton Gorge“, erst geht es große Stufen im Wald hinauf, dann klettert man einen Wasserfall herauf, bevor man an einem rötlich gefärbten, eiskalten See Halt machen kann. Von dort aus geht es über dicht bewachsene Hügel nach ganz oben. Da Kapstadt als Halbinsel an drei Seiten von Wasser umgeben ist, gehört auch Surfen zu den beliebten Freizeitaktivitäten. Innerhalb von einer Stunde ist man in Muizenberg, einem kleinen Ort am Meer, in dem man für umgerechnet sechs Euro anderthalb Stunden surfen kann.
Fast jedes Wochenende findet in Kapstadt und Umgebung ein anderes Festival statt – über ein Chocolate and Wine Festival über das Open Book Festival bis hin zu dem Hermanus Whale Festival. Abends finden in Bars oder Kneipen auch oft Poetry Slams, Stand-Up Comedy oder Ähnliches statt.
Muizenberg Beach
Alles in allem ist Kapstadt eine faszinierende Stadt, die von Kontrasten lebt und unglaublich viel Spannendes zu bieten hat. Allerdings macht die Armut, die nicht nur in den außerhalb liegenden Townships zu spüren ist, sondern auch auf den Straßen der Stadt, nachdenklich. Noch immer spürt man die Folgen der Apartheit, wobei es interessant ist, die verschiedenen Perspektiven weißer und schwarzer Südafrikaner diesbezüglich zu erfahren. Ich empfinde es als positiv, dass sehr offen über die Probleme geredet wird und gerade auch junge Menschen politisch sehr interessiert und engagiert sind. Kapstadt und Südafrika befinden sich in einem stetigen Wandel und ich bin gespannt, wie sie sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Ich freue mich auf die nächsten Wochen in einer der drei südafrikanischen Hauptstädte.
Safari im Addo Nationalpark