von Thilo, der sein Auslandstrimester an der National University of Singapore (NUS) verbringt
Auf der Weltkarte ist Singapur ein kleiner roter Punkt – knapp über dem Äquator, mitten in Südostasien zwischen Malaysia und Indonesien. Wer dorthin fliegt, sieht erst einmal nur Schiffe. Wie die Insekten das Licht suchen, streben hunderte Schiffe in Richtung des kleinen roten Punkts, der so zentral in Südostasien liegt, dass die Briten dort eine Niederlassung ihrer British East India Company gründeten. Wer heute dort landet, kommt in der Zukunft an: U-Bahnen fahren führerlos, Gebäude gleichen Raumschiffen und die Innenstadt ist nahtlos mit klimatisierten U-Bahnhöfen und Malls unterkellert.
Wer in Singapur landet, kommt zwischen Wolkenkratzern mitten im Grünen an. Zwar ist Singapur einer der dichtesten Orte der Welt, und doch gleichzeitig der Prototyp der Gartenstadt des 21. Jahrhunderts. In der Ankunftshalle am Changi Airport ranken vertikale Gärten empor, Autobahnen sind Alleen und Zwischenetagen in Hochhäusern sind wahre Gewächshäuser.
Allen Klimaanlagen, kultivierten Gärten und Automatisierung zum Trotz findet man auf dem kleinen roten Punkt viele tropische Oasen.
Die juristische Fakultät der NUS liegt mitten im UNESCO Welterbe, des Botanischen Gartens.
Wer auf die vorgelagerte Insel Pulau Ubin übersetzt, erlebt Singapur wie vor 50 Jahren: Viel Urwald, viele Affen und ein kleines Dorf mit Restaurants. Mitten in der Stadt liegt dagegen das MacRitchie Reservoir. Ein Nationalpark mit einer freischwebenden Hängebrücke im Regenwald. Dort – scheinbar mitten im Urwald – zeigt das Handy 4G-Empfang an.
Andere spektakuläre Attraktionen wie die Stahlbäume der „Gardens by the Bay“ und gigantische Gewächshäuser zeugen von Singapurs sagenhaftem Aufstieg zu einer der modernsten Städte der Welt.
Doch wer Singapur für ein desinfiziertes Disneyland hält, unterschätzt die Vielfalt des Stadtstaates. In Hawker Centres, Little India oder den Woodlands ist Singapur authentisch-asiatisch und vereint einen ganzen Kontinent in diesem kleinen roten Punkt. Ob chinesischer, indischer, malayischer Herkunft: In Singapur kommen viele asiatische Kulturen zusammen, was sich in der Vielfalt des Essens spiegelt. Sei es indisch oder thailändisch, vietnamesich oder chinesisch, japanisch oder koreanisch – so vielfältig die Auswahl in Food Courts und Restaurants ist, so bunt ist auch Singapur.
Dabei gelingt auf jenem kleinen roten Punkt, was anderswo zu Unruhen und Gewalt führt: Die vier Weltreligionen leben friedlich zusammen – ob Christ, Moslem, Buddhist, Hindu oder Atheist.
Daneben entwickelt sich in Singapur eine rege Kunstszene. Gerade wurde die National Gallery in der Innenstadt eröffnet und in den Gillman Baracks haben sich in einer alten Kaserne viele kleine Galerien eingerichtet.
Besonders faszinierend ist das Tempo des Wandels und der Veränderung. In nur 50 Jahren ist aus einem kleinen Dorf an der Strait-Straße der Dreh- und Angelpunkt Südostasiens geworden.
Am Wochenende des Unabhängigkeitstags, am 9. August, wurde dieses Jubiläum in der ganzen Stadt mit Feuerwerk, Ausstellungen, Paraden und Flugschauen gefeiert. Singapur ist ein ganz großer, ein stolzer, roter Punkt in Asien.