von Isabella, die ihr Auslandstrimester an der University of Cape Town verbringt
Jeden Morgen wandert mein Blick auf den majestätischen Tafelberg, der über Kapstadt trohnt. Es ist Winter in Kapstadt und an vielen Tagen kann man beobachten, wie sich die Wolken an der massiven Felswand abmühen. Wenn der Wind weht und Regen gegen die Fensterscheiben klatscht, werden Tee und Decken ausgepackt: Die Heizungen in südafrikanischen Häusern sind Mist. Doch an vielen Tagen werden wir auch mit einem strahlend blauen Himmel verwöhnt, und wenn die Sonne rauskommt ähnelt der südafrikanische Winter sehr dem deutschen Sommer.
An solchen Tagen ist Kapstadt für mich nicht die mother city, wie sie oft genannt wird, sondern die city of opportunities. Worauf habe ich heute Lust? Auf den Tafelberg oder Lion's Head zu steigen und die Aussicht über die Stadt und das Meer zu genießen? Eine Surfstunde in Muizenberg zu nehmen? Mit den Pinguinen über den Boulders Beach zu watscheln? Natürlich geht es auch weniger aktiv: In Woodstock, Bo Kaap und Gardens warten lauter kleine Cafés darauf, ausprobiert zu werden. Auf dem Old Biscuit Mill Market kann man sich durch regionale und internationale Köstlichkeiten schlemmen. Und traumhafte Strände wie Cliftons Beach oder Camps Bay bieten die perfekte Möglichkeit, sich ein bisschen auszuruhen und zuzusehen, wie die Sonne vom Meer verschluckt wird, während auf der anderen Seite des Berges der Mond auftaucht.
Aber Kapstadt ist nicht so sorgenlos und traumhaft, wie es diese Beschreibung vielleicht vermuten lässt. Die Folgen der Apartheid sind immer noch spürbar. Während sich in Camps Bay und Clifton die Villen der Reichen (und Weißen) an die Ausläufer des Tafelbergs schmiegen, kochen sich die Armen in den Townships von Langa ihren Maisbrei in einer einfachen Wellblechhütte. An den Kreuzungen der großen Straßen strecken einem in Decken gehüllte Schwarze oder Farbige ihre Plastikbecher entgegen. Kaum ein Gang durch die Innenstadt vergeht, ohne dass man mit einem "five cent, please Ma'am, for food!" angesprochen wird.
An der University of Cape Town sind diese Unterschiede weniger spürbar. Die Universität ist international, mit vielen Studenten aus Afrika, Europa und den USA. Nicht zuletzt durch die Vergabe von Stipendien und die explizite Förderung der zuvor diskriminierten Mehrheit wird versucht, die Vielfältigkeit Südafrikas auch auf ihrer besten Universität widerzuspiegeln. Hier hört man nicht nur Englisch und Afrikaans, die Sprache der "Weißen", sondern auch das von Klicklauten gekennzeichnete Zulu und Xhosa. Man lernt Studenten aus Malawi und Nigeria kennen, deren Motivation, Jura zu studieren, eine ganz andere ist als unsere: Sie wollen ihr Land verändern. Hier merkt man wirklich, dass Südafrika eine "Regenbogennation" ist, ein Land, in dem viele verschiedene ethnische Gruppen friedlich leben. Zwar nicht immer miteinander, aber zumindest nebeneinander.