O Roma, du ewige, wunderschöne Stadt

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von Oleg, der sein Auslandstrimester an der LUISS Guido Carli in Rom verbringt

Wie soll ich bloß anfangen von Dir zu schwärmen? Ich kann doch schlecht in die Fußstapfen unseres bekanntesten Nationaldichters treten, um Dich für all diejenigen zu beschreiben, die Dich noch nicht kennengelernt haben und für diejenigen, die von Dir niemals genug bekommen. Soll ich nun mit einer Anekdote beginnen, wie es so viele schon vor mir gemacht haben und so viele nach mir noch machen werden? Eine, die Deinen zauberhaften, verwinkelten Gassen oder Deinen prächtigen sieben, vor Geschichte strotzenden, Hügeln entsprungen scheint? Nein, es ist mir auch gleich, an wie vielen Tagen Du denn nun erbaut wurdest oder welche Autobahnen und Landwege zu Dir führen. Ich habe meinen Weg zu Dir gefunden und bin froh, dass Du mich auf eine wunderbare Weise aufgenommen hast.

Augustus, Dein wohl bedeutendster Kaiser, würde Dich heutzutage leider nicht mehr als eine Stadt aus Marmor wiedererkennen, entledigt Deiner Ziegel aus Zeiten der Republik. Viele Deiner historischen Schätze befinden sich in einem bedauernswerten Zustand und zeugen nur noch im Ansatz von der Größe und Macht, die Du einst ausgestrahlt hast. Vor allem macht mich traurig, dass Du nicht nur von außen durch hereinströmende und wildernde Barbaren Teile Deiner Schönheit verloren hast, sondern auch von innen, durch unachtsame Bürger, die über viele Jahrhunderte Deine Schätze nicht zu schätzen wussten und Deinen Gebäuden ihre wertvollen Verzierungen genommen haben.

Doch Deine Römer geben sich nun größte Mühe Dich zu erhalten: Überall wird gebaut, gewerkelt und nachgebessert. Auch wenn die Arbeiten nicht unbedingt zügig vonstatten gehen und sich in italienischer Gemütlichkeit gerne auch mal um ungewisse Zeiträume verschieben (was in Hamburg nicht immer anders ist, wie ich Dir unter vorgehaltener Hand verraten mag), so merkt man doch, dass Du Deinen Bewohnern am Herzen liegst.

Auch Kaiser Vespasian, der Dir wohl die heutzutage bekannteste Sehenswürdigkeit der Welt geschenkt hat, wusste schon, dass Geld nicht stinkt (außer bei der leider von Korruption durchtränkten Stadtverwaltung). Das prächtige Kolosseum sorgt wahrscheinlich mit dafür, dass Du gerade so über die Runden kommst. All die Touristen und Pilger, die Tag für Tag durch Deine Tore strömen, prägen Dein Stadtbild maßgeblich. Sie verschandeln es an manchen Stellen, doch zumeist tragen sie zu Deinem internationalen Flair als Weltstadt bei.

Diese Internationalität war in vergangenen Tagen vielleicht sogar noch um einiges präsenter, als sich Bürger und Sklaven aus dem gesamten römischen Imperium in Rom tummelten. Ich habe auch oft bemerkt, wie Deine Römer leicht melancholisch werden, wenn man sich mit ihnen über Deine leuchtende Vergangenheit unterhält. Dass es um Deine wirtschaftliche Lage nicht ganz so gut steht, wie zu Zeiten der pax augusta, lockt so manchen Deiner Bewohner einige Tränen hervor.

Und ja, ich gebe es zu, auch ich habe mehrmals geflucht, als einer Deiner Busse "planmäßig" in fünf Minuten auftauchen sollte, sich aber erst nach 30 Minuten an Ort und Stelle eingefunden hat. "Was soll’s" und "carpe diem" sagt man in solch einer Situation – ich trinke derweil meinen "caffe al banco" und bekomme dabei von einem Deiner reizenden Bewohner eine neue, spannende Anekdote zu hören.

Doch was ist nun das Beste an Dir? Ist es, dass Du es auf eine einzigartige Art und Weise schaffst, mit unzähligen Epochen, die Dich seit mehr als 2500 Jahren prägen, fast mühelos zu jonglieren? Ist es die überwältigende Präsenz Deiner Kirchen, eine prachtvoller als die andere? Sind es die großen Meister der Kunst, die Deine Museen schmücken und Dein Stadtbild verschönert haben? Sind es die herrlichen Parkanlagen, mit all ihren pompösen Villen, die nicht nur einen beeindruckenden Blick über Dich bieten, sondern auch als Oasen der Ruhe und Entspannung im chaotischen Stadtleben dienen? Ist es Deine Küche mit knuspriger Pizza, frischer Pasta und luftigem Tiramisu, die mir Tag um Tag auf eindrucksvolle Weise zu beweisen vermag, dass Essen nicht bloß ein menschliches Grundbedürfnis ist?

Oder ist es einfach die Lebensfreude Deiner Bewohner, welche die Dolce Vita ausmacht? Die schöne Sprache, die das alltägliche Leben wie einen fortlaufenden Urlaubsfilm wirken lässt? Durch Deine in warmes Licht getränkten Gassen zu spazieren und in jedem Atemzug von frisch gebrühtem Kaffee und kernigem Prosciutto umgeben zu sein und in jedem Augenblick von Deinen lebendigen Zeitzeugnissen förmlich erschlagen zu werden, während sich ein anderer Teil des Geistes schon längst in das cremige Gelato schräg gegenüber verguckt hat? Ich kann mich nicht entscheiden, doch genau das ist es, was Deine Schönheit und Deinen Reiz ausmacht. Du langweilst mich nicht und wirst es auch niemals tun. Ob ich nun in Dein Nachtleben eintauche, das sich zuerst auf Deinen weitläufigen piazzas abspielt und anschließend in engen Clubs ausklingt, bis die Sonne wieder aufgeht, oder ob ich an einem sonnigen Morgen den Tiber entlang spaziere und mich permanent als klitzekleiner Teil deiner Geschichte empfinde: O Roma, du ewige, wunderschöne Stadt, selbst die schönsten Worte und Bilder können Dich kaum beschreiben - zum Leben erwachst Du erst, wenn man sich in Dir verliert.

"Lebenspendende Sonne, du kannst wohl nichts Größeres erblicken als die Stadt Rom." - Horaz, Carmen saeculare