von Constantin, der sein Auslandstrimester an der National University von Singapur verbringt
Unmittelbar nach Verlassen des Flughafens schlägt dem Ankömmling in Singapur die tropische Wärme von über 30 °C entgegen, bei einer Luftfeuchtigkeit von gefühlt über 90%. Daran gewöhnt man sich jedoch schnell. Mehr noch: Oft ist es draußen angenehmer als drinnen, denn fast alle Gebäude und die U-Bahn werden auf etwa 20 °C herunter gekühlt. In Vorlesungen kommt es regelmäßig zu der kuriosen Situation, dass die europäischen und amerikanischen Studenten in Pullis dem Professor zuhören, während die einheimischen Studenten im T-Shirt dasitzen.
In Singapur findet man sich sehr schnell zurecht. Die Stadt ist unglaublich sauber und sicher und scheint auf den ersten Blick einer westlichen Millionenstadt sehr ähnlich. In den Einkaufsstraßen finden sich viele bekannte Läden und auch die Mietpreise sind mit New York und London vergleichbar.
Singapur war und ist eine Stadt, die durch ihre Zuwanderer in starkem kulturellen Austausch mit den Nachbarländern steht. Das spiegelt sich besonders gut im Essen wider. In den sogenannten Hawker Zentren, einer Art Freiluft-Food-Court, befinden sich die unterschiedlichsten kleinen Essensläden, oft im Kreis aufgereiht, beieinander. Neben einem indischen Koch steht ein chinesischer und daneben wird wiederum malaiisches oder indonesisches Essen zubereitet. Man kann herum gehen und jeder sucht sich das zu essen aus, worauf er gerade Appetit hat. Anschließend sitzt man dann an einem der Tische in der Mitte zusammen. Gegessen wird mit Stäbchen. In der Regel findet man bei Bedarf aber auch Löffel und Gabel, aber keine Messer. Selbst in den Kochecken wird das Fleisch mit der Schere geschnitten.
Neben Sauberkeit wird auf Ordnung in Singapur viel Wert gelegt. Am Taxistand bildet sich eine Schlange, in der die Menschen auf das nächste Taxi warten. Genauso in der U-Bahn. Am Bahnsteig befinden sich Glasfronten, in die Türen eingelassen sind, die sich öffnen, wenn der Zug eingefahren ist. Der Bereich vor den Türen muss für aussteigende Passagiere frei gehalten werden. Von rechts und links wird sich dann in Schlangen angestellt, um den Zug zu besteigen. Trotz eines weit ausgebauten Nahverkehrssystem ist es nicht immer leicht, sich zurecht zu finden. Die meisten Einwohner sprechen zwar ein hervorragendes Englisch, aber auf die Frage nach dem Weg, ist ein "Nein, ich weiß nicht, wo das ist" auch bei Unkenntnis keine Option. Die angegebene Richtung ist oft richtig, manchmal läuft man jedoch auch im Kreis und wird immer wieder weiter geschickt, ohne dass man hinterher das Gefühl hat, dass der Gefragte wirklich wusste, wo das Ziel lag.
Auffällig sind die Regulierungen in der Stadt. Der Konsum von Essen oder Trinken in der U-Bahn ist verboten. Auf dem Plakat werden bei Zuwiderhandlung mehrere hundert Euro Strafe angedroht. Alkohol und Tabak sind durch immense Steuern gut doppelt so teuer wie in Deutschland. Die letzte U-Bahn fährt auch am Wochenenden um kurz nach Mitternacht. Gleichzeitig wird der frühe Arbeitsbeginn dadurch gefördert, dass die U-Bahn-Fahrt für registrierte Arbeiter in die Innenstadt vor 7.30 Uhr umsonst ist. Für Einheimische werden in den Casinos teilweise zusätzliche Eintrittsgebühren von umgerechnet 65 Euro erhoben. Offenbar fördert die Regierung die Verhaltensweisen, die zu einer erhöhten Produktivität beitragen, und versucht andere durch Verbote oder durch hohe Kosten unattraktiv zu machen.
Die zentrale Lage in Südostasien macht Singapur zudem zu einer sehr attraktiven Stadt für Austauschstudenten, die nicht übermäßig volle Stundenpläne haben. Binnen weniger Flugstunden kann man allerlei umliegende Länder erreichen. Dann fallen einem all die kleinen und großen Unterschiede im Vergleich zu Singapur auf. Egal ob in Bangkok, Manila oder Hanoi, das Leben auf der Straße ist auf einmal nicht mehr ganz so geordnet und wohl sortiert wie in Singapur. In Hanoi bestimmen das Straßenbild eine Vielzahl von Motorrollern, die wie Ameisen jeden verfügbaren Meter Platz zum Vorwärtskommen nutzen. Das Überqueren der Straßen wird zu einem Abenteuer. Die Einheimischen zeigen wie es geht: Wenn man langsam und konstant die Straße überquert, umkurven einen die Rollerfahrer geschickt. Gefährlich ist hier nur, stehen zu bleiben. Eine Strategie, die selbst von Hunden befolgt wird, um die Straße zu überqueren. Insgesamt ist der Verkehr nämlich langsam, kaum einer fährt in der Stadt schneller als 30. Gleichzeitig wird aufeinander achtgegeben, teilweise durch lautes Hupen, teilweise dadurch, dass besonders vertrackte Verkehrssituationen durch die Beifahrer gelöst werden, die hinten aufsitzen und durch Gestikulieren und laute Rufe die Vorfahrt regeln. Trotz der waghalsig anmutenden Fahrmanöver habe ich so während der Woche in Vietnam nur einen Verkehrsunfall beobachtet.
Angelockt von den fantastischen Landschaften am Meer und in den Bergen, den Tempeln und dem tollen Essen kommen immer mehr Touristen hierher. Gerade junge Reisende, gut erkennbar am Lonely-Planet-Reiseführer, sind auf der Suche nach dem möglichst authentischsten Südostasienerlebnis, das dann sofort mit dem Handy fotografiert und mit den Freunden geteilt wird. Geschäftstüchtige Händler und Agenten bieten alles an, was dazu gebraucht wird: von Reisetouren über Souvenirs bis hin zu Massagen oder Regencaps. Vor allem auf dem Markt in den Seitenstraßen Bangkoks gibt es nichts, was es nicht gibt: Neben jeder Art von Stoffen, Elektrogeräten und Schmuck fand sich auch eine Auslage mit gefälschten Ausweisen. Pässe, Führerscheine und selbst Lufthansa-Mitarbeiterausweise.
Zurück in Singapur kommt es einem fast langweilig vor, in ein Taxi besteigen und vor dem Losfahren nicht zuerst den Preis aushandeln zu müssen.